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Ein 1000 Quadratmeter grosses Möbel
Interview mit Florian Stroh
Für die Duale Hochschule Baden-Württemberg Lörrach und ihren neu ins Leben gerufenen Architektur-Studiengang wurde ein Teil der denkmalgeschützten Produktionshalle von Álvaro Siza auf dem Vitra Campus umgebaut. Über die Besonderheiten dieses Umbaus – und wie er in Rekordzeit möglich war – erzählt uns der zuständige Design Consultant Florian Stroh, Inhaber des Basler Architekturbüros studio ne, im Interview.
Florian, was war dein erster Gedanke, als du im Frühling 2023 gefragt wurdest, ob du mithelfen könntest, einen Teil der 12'000 Quadratmeter grossen, offenen Siza-Halle in Lehr- und Lernräume umzubauen – notabene bis zum Semesterbeginn im Oktober 2023?
Beim ersten Teil der Frage hatte ich Gänsehaut und beim Termin dachte ich zuerst, ich hätte das Jahr falsch verstanden. Die knapp sechs Monate Planungs- und Bauzeit haben mich schon überrascht. Aber natürlich lässt man sich ein solches Projekt nicht entgehen. Als ich noch bei Herzog & de Meuron arbeitete, war das Vitra Schaudepot, das 100 Meter neben der Siza-Halle steht, das erste grosse Projekt, das ich leiten durfte. Jetzt als selbständiger Architekt wieder auf dem Vitra Campus planen und gestalten zu dürfen, war darum ein spezielles Gefühl. Dabei für zukünftige Architekten zu bauen und die Architektur von Álvaro Siza zu transformieren, machten das Projekt noch spannender.
Durfte denn in die bestehende Architektur eingegriffen werden? Die Halle wurde von einem Pritzker-Preisträger gestaltet und steht inzwischen unter Denkmalschutz – inwiefern hat das die Planung beeinflusst?
Die wenigen Eingriffe in die Fassade für die Zugänge haben gestalterisch keinen grossen Einfluss. Im Innern haben wir eine Holzkonstruktion geplant, die wie ein 1'000 m2 grosses Möbel in die 12'000 m2 grosse Fabrikhalle gestellt wurde – ein Uterus, aus dem neues Leben in der Halle entsteht. Die Konstruktion ist statisch unabhängig, nur an die Aussenhülle herangebaut, nicht mit ihr verbunden.
Es war einerseits wichtig, beim Einbau eine Qualität zu erreichen, die der Architektur von Siza gerecht wird, andererseits aber auch eine Umgebung zu schaffen, in der das Lehren und Lernen gelingt. Wir wollten, dass die Architektur des Einbaus die Qualität hat, die Kultur des Lebens und Arbeitens in ihrem Innern positiv zu beeinflussen. Darum haben wir dem Einbau mit der Tragstruktur einen klaren Rhythmus gegeben. Wie bei einem Jazzstück sind der Rhythmus und die Harmonien vorgegeben, die Melodie aber kann frei improvisiert werden. In Architektursprache übersetzt heisst das, Nutzerinnen und Nutzer können frei entscheiden, wie sie den Raum bewohnen, nutzen und «bespielen» wollen. Die Räume sind offen und informell, um Ideen Raum geben und Wissen teilen zu können.
Florian, was war dein erster Gedanke, als du im Frühling 2023 gefragt wurdest, ob du mithelfen könntest, einen Teil der 12'000 Quadratmeter grossen, offenen Siza-Halle in Lehr- und Lernräume umzubauen – notabene bis zum Semesterbeginn im Oktober 2023?
Beim ersten Teil der Frage hatte ich Gänsehaut und beim Termin dachte ich zuerst, ich hätte das Jahr falsch verstanden. Die knapp sechs Monate Planungs- und Bauzeit haben mich schon überrascht. Aber natürlich lässt man sich ein solches Projekt nicht entgehen. Als ich noch bei Herzog & de Meuron arbeitete, war das Vitra Schaudepot, das 100 Meter neben der Siza-Halle steht, das erste grosse Projekt, das ich leiten durfte. Jetzt als selbständiger Architekt wieder auf dem Vitra Campus planen und gestalten zu dürfen, war darum ein spezielles Gefühl. Dabei für zukünftige Architekten zu bauen und die Architektur von Álvaro Siza zu transformieren, machten das Projekt noch spannender.
Durfte denn in die bestehende Architektur eingegriffen werden? Die Halle wurde von einem Pritzker-Preisträger gestaltet und steht inzwischen unter Denkmalschutz – inwiefern hat das die Planung beeinflusst?
Die wenigen Eingriffe in die Fassade für die Zugänge haben gestalterisch keinen grossen Einfluss. Im Innern haben wir eine Holzkonstruktion geplant, die wie ein 1'000 m2 grosses Möbel in die 12'000 m2 grosse Fabrikhalle gestellt wurde – ein Uterus, aus dem neues Leben in der Halle entsteht. Die Konstruktion ist statisch unabhängig, nur an die Aussenhülle herangebaut, nicht mit ihr verbunden.
Es war einerseits wichtig, beim Einbau eine Qualität zu erreichen, die der Architektur von Siza gerecht wird, andererseits aber auch eine Umgebung zu schaffen, in der das Lehren und Lernen gelingt. Wir wollten, dass die Architektur des Einbaus die Qualität hat, die Kultur des Lebens und Arbeitens in ihrem Innern positiv zu beeinflussen. Darum haben wir dem Einbau mit der Tragstruktur einen klaren Rhythmus gegeben. Wie bei einem Jazzstück sind der Rhythmus und die Harmonien vorgegeben, die Melodie aber kann frei improvisiert werden. In Architektursprache übersetzt heisst das, Nutzerinnen und Nutzer können frei entscheiden, wie sie den Raum bewohnen, nutzen und «bespielen» wollen. Die Räume sind offen und informell, um Ideen Raum geben und Wissen teilen zu können.
Was waren denn die grössten Stolpersteine des Projekts? Und wie seid Ihr ihnen aus dem Weg gegangen?
DER Stolperstein war der geplante Einzugstermin. 6 Monate Zeit für dieses Projekt, das war höchst ambitioniert. Im normalen Bauprozess ist das nicht möglich. Aber zum Glück hatte ich Christian Germadnik von Logad – einer Immobiliengesellschaft, die Liegenschaften entwickelt, verwaltet und an die Vitra-Gruppe und Dritte vermietet – als Bauherrenvertreter, Bauleiter und Architekt an meiner Seite. Er hat seine Erfahrung und all seine Beziehungen zu regionalen Unternehmern genutzt, mit denen Logad und Vitra oft zusammenarbeiten, und sie sehr früh ins Projekt geholt. Das System aus Holz wurde möglichst modular gestaltet und so schnell wie möglich vorgefertigt. Wir haben nichts versteckt, Leitungen, Kabel und Schrauben sind sichtbar, das passt in den industriellen Charakter des Orts. Und ganz wichtig: Wir hatten keine Zeit, uns in Details zu verlieren oder für Entscheidungen mehrere Runden zu drehen. Dieses Vorgehen passte zum anvisierten Charakter von einfacher, industrieller Reduziertheit.
Was sagst du zum Endresultat? Bist du zufrieden – und fast noch wichtiger: Sind die Studentinnen und Studenten zufrieden mit der Umgebung?
Das Feedback der Studierenden ist überwältigend. Sie schätzen den Freiraum, die Architektur, den «Groove» – und die Cafeteria, wo sie regelmässig zusammen zu Mittag essen. Und mein Feedback? Wenn wir für die Planung und Umsetzung mehr Zeit gehabt hätten, hätte ich sicher gewisse Dinge anders gemacht – aber es wäre nicht besser geworden. Unwesentliches hatte keinen Platz und so ist das Resultat eine ehrliche und pragmatische Raumlösung in einer Industriehalle.
DER Stolperstein war der geplante Einzugstermin. 6 Monate Zeit für dieses Projekt, das war höchst ambitioniert. Im normalen Bauprozess ist das nicht möglich. Aber zum Glück hatte ich Christian Germadnik von Logad – einer Immobiliengesellschaft, die Liegenschaften entwickelt, verwaltet und an die Vitra-Gruppe und Dritte vermietet – als Bauherrenvertreter, Bauleiter und Architekt an meiner Seite. Er hat seine Erfahrung und all seine Beziehungen zu regionalen Unternehmern genutzt, mit denen Logad und Vitra oft zusammenarbeiten, und sie sehr früh ins Projekt geholt. Das System aus Holz wurde möglichst modular gestaltet und so schnell wie möglich vorgefertigt. Wir haben nichts versteckt, Leitungen, Kabel und Schrauben sind sichtbar, das passt in den industriellen Charakter des Orts. Und ganz wichtig: Wir hatten keine Zeit, uns in Details zu verlieren oder für Entscheidungen mehrere Runden zu drehen. Dieses Vorgehen passte zum anvisierten Charakter von einfacher, industrieller Reduziertheit.
Was sagst du zum Endresultat? Bist du zufrieden – und fast noch wichtiger: Sind die Studentinnen und Studenten zufrieden mit der Umgebung?
Das Feedback der Studierenden ist überwältigend. Sie schätzen den Freiraum, die Architektur, den «Groove» – und die Cafeteria, wo sie regelmässig zusammen zu Mittag essen. Und mein Feedback? Wenn wir für die Planung und Umsetzung mehr Zeit gehabt hätten, hätte ich sicher gewisse Dinge anders gemacht – aber es wäre nicht besser geworden. Unwesentliches hatte keinen Platz und so ist das Resultat eine ehrliche und pragmatische Raumlösung in einer Industriehalle.
Vitra legt Wert auf nachhaltiges Handeln. Inwiefern äusserte sich das beim Projekt DHBW?
Nebst der Verwendung eines nachhaltigen Baustoffs, dem Holz, kommen hier weitere wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit zum Tragen. Beim Bau einer Schule kein Gebäude zu bauen, sondern eine Transformation eines Bestandsgebäudes durchzuführen, ist schon mal sehr nachhaltig. Eine Referenz war für mich persönlich – trotz des anderen Massstabs – die Transformation der Londoner Tate Modern, von einer Industriehalle in ein Museum, einen öffentlichen Raum. Diese Veränderbarkeit ist Langlebigkeit und das ist für mich nachhaltige Architektur.
Langlebigkeit ist ein interessanter Aspekt: Warum schaffen es einige Gebäude, älter zu werden als andere? In 100 Jahre alten, nach heutigem Standard energetisch eher problematischen Häusern, wollen die Menschen wohnen, während neuere Häuser bereits wieder abgerissen werden, weil sie sich schlecht an neue Bedürfnisse anpassen lassen. Wenn man aber Räume verändern kann, dann funktionieren sie auch in 200 Jahren noch. Bei der Produktionshalle von Álvaro Siza ist es ebenfalls so: Wer hätte gedacht, dass da eine Schule reinpasst? Die Qualität der Halle hat das ermöglicht – je besser die architektonische Qualität, desto einfacher eine Umnutzung.
Aber das Nachhaltigste am Projekt finde ich, dass hier, auf dem Vitra Campus und im Architekturlehrgang der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Generationen von Architekten dem Einfluss guter Architektur ausgesetzt und von ihr beeinflusst werden. Und zu lernen, wie man gut und nachhaltig baut, ist nachhaltiger als alles andere.
Nebst der Verwendung eines nachhaltigen Baustoffs, dem Holz, kommen hier weitere wichtige Aspekte der Nachhaltigkeit zum Tragen. Beim Bau einer Schule kein Gebäude zu bauen, sondern eine Transformation eines Bestandsgebäudes durchzuführen, ist schon mal sehr nachhaltig. Eine Referenz war für mich persönlich – trotz des anderen Massstabs – die Transformation der Londoner Tate Modern, von einer Industriehalle in ein Museum, einen öffentlichen Raum. Diese Veränderbarkeit ist Langlebigkeit und das ist für mich nachhaltige Architektur.
Langlebigkeit ist ein interessanter Aspekt: Warum schaffen es einige Gebäude, älter zu werden als andere? In 100 Jahre alten, nach heutigem Standard energetisch eher problematischen Häusern, wollen die Menschen wohnen, während neuere Häuser bereits wieder abgerissen werden, weil sie sich schlecht an neue Bedürfnisse anpassen lassen. Wenn man aber Räume verändern kann, dann funktionieren sie auch in 200 Jahren noch. Bei der Produktionshalle von Álvaro Siza ist es ebenfalls so: Wer hätte gedacht, dass da eine Schule reinpasst? Die Qualität der Halle hat das ermöglicht – je besser die architektonische Qualität, desto einfacher eine Umnutzung.
Aber das Nachhaltigste am Projekt finde ich, dass hier, auf dem Vitra Campus und im Architekturlehrgang der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Generationen von Architekten dem Einfluss guter Architektur ausgesetzt und von ihr beeinflusst werden. Und zu lernen, wie man gut und nachhaltig baut, ist nachhaltiger als alles andere.
Biografie Florian Stroh
Florian Stroh, geboren in Basel, studierte Architektur an der ETH Zürich, am Royal Institute of Technology in Stockholm und an der Yale University in den USA. Nach seinem Studium leitete er während 7 Jahren Projekte beim Basler Architekturbüro Herzog & de Meuron, bevor er für Studio Banana den Standort Basel aufbaute und 2022 sein eigenes Architekturbüro studio ne gründete. Vor seinem Architekturstudium war Florian Stroh Gaststudent an der Musikhochschule in Hannover. Die Musik beeinflusst seine architektonische Arbeit massgeblich, indem er Rhythmus, Farben, Texturen und Formen komponiert.
Veröffentlichungsdatum: 14.5.2024
Autor: Christoph von Arb
Bilder: © Vitra