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Architektur und Krankheit
Beatriz Colomina über Tuberkulose, Modernismus und Covid-19
Die obere Sonnenterrasse des 1932 eröffneten Paimio Sanatoriums von Alvar Aalto mit Frischluftkur-Patienten, die finnischen Wälder überblickend, ca. 1933, Foto: Gustaf Welin, © Alvar Aalto Museum
Beatriz Colomina fühlte sich nicht ganz wohl, als wir sie in New York in ihrem Loft in SoHo getroffen haben – ironisch: wollten wir doch genau über Krankheit sprechen. Colomina ist Howard-Crosby-Butler-Professorin für Architekturgeschichte an der Princeton University und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die oft spiessige Welt der akademischen Architektur aufzurütteln und das Establishment mit ihren Analysen zu Themen wie Schlaf und Sex, Krieg und Toiletten herauszufordern.
In ihrem Buch «X-Ray Architecture» (Lars Müller, 2019) vertritt sie die These, dass die miteinander verknüpften Phänomene der Tuberkulose-Pandemie und der Entdeckung des Röntgenstrahls die Vorläufer der europäischen Moderne und ihrer Exporte waren. Mit einem Mindestabstand von anderthalb Metern erzählt uns Colomina die verdrängte Geschichte der gläsernen Architektur als Allheilmittel.
Und warum? Weil weltweit einer von sieben Menschen an Tuberkulose starb, in einer grossen Metropole wie Paris war es sogar eher einer von drei. Die Architekten hatten also gute Gründe, aufzuräumen – und das waren nicht nur ästhetische. Dies ist die zentrale These des Buches: Moderne Architektur hat mehr mit der Kampagne für Gesundheit zu tun als mit irgendetwas anderem. Tatsächlich kamen viele der Ideen, die die modernen Architekten vorschlugen, nicht aus der Architekturtheorie, sondern von Ärzten, Krankenschwestern und der Krankenhausarchitektur, insbesondere von Tuberkulose-Sanatorien. Um die Jahrhundertwende arbeiteten in Orten wie Davos junge Spitzenärzte, junge Architekten und junge Ingenieure zusammen. Das war die wahre Avantgarde. Das erste Gebäude aus Stahlbeton in der Schweiz war ein Tuberkulose-Sanatorium. Es war ein Laboratorium der modernen Architektur. Nehmen wir die Sonnenterrassen für die Kur: Sie übertrugen die Idee der deutschen Lebensreform des 19. Jahrhunderts, nach draussen in die gesundheitsfördernde Sonne zu gehen, direkt auf das Gebäude. Diese Durchdringung von Innen und Aussen wurde zum Markenzeichen der modernen Architektur, ebenso wie weisse Wände, grossflächige Verglasung, klare Linien, Verzicht auf Ornamente usw. – was alles schon lange vor der modernen Architektur zu den medizinischen Protokollen gehörte.
In ihrem Buch «X-Ray Architecture» (Lars Müller, 2019) vertritt sie die These, dass die miteinander verknüpften Phänomene der Tuberkulose-Pandemie und der Entdeckung des Röntgenstrahls die Vorläufer der europäischen Moderne und ihrer Exporte waren. Mit einem Mindestabstand von anderthalb Metern erzählt uns Colomina die verdrängte Geschichte der gläsernen Architektur als Allheilmittel.
In X-Ray Architecture erklärst du, dass du in den 1980er Jahren begonnen hast, die Beziehung zwischen Krankheit und moderner Architektur zu erforschen. Was hat dein Interesse an Tuberkulose und ihren Auswirkungen auf die Moderne geweckt?
Ich fühle mich immer zu Dingen hingezogen, über die man nicht spricht. Krankheit ist so etwas. Vielleicht haben die Menschen Angst, darüber zu sprechen. Im frühen 20. Jahrhundert sprachen Architekten und Kritiker allerdings viel über Tuberkulose. Es war sogar eine wahre Obsession. Seltsamerweise haben die Historiker sie aber ignoriert, obwohl diese Besessenheit überall zu sehen ist – sie ist offensichtlich, wenn man hinschaut und hinhört. Und vielleicht war es das, was eine ganze Generation davon überzeugt hat, all die Wandverkleidungen, Teppiche und Vorhänge der Inneneinrichtungen des 19. Jahrhunderts zugunsten von klaren Linien und klarer Architektur aufzugeben. Die Krankheit war es, die die Architektur modernisierte, nicht nur neue Materialien und Technologien.Und warum? Weil weltweit einer von sieben Menschen an Tuberkulose starb, in einer grossen Metropole wie Paris war es sogar eher einer von drei. Die Architekten hatten also gute Gründe, aufzuräumen – und das waren nicht nur ästhetische. Dies ist die zentrale These des Buches: Moderne Architektur hat mehr mit der Kampagne für Gesundheit zu tun als mit irgendetwas anderem. Tatsächlich kamen viele der Ideen, die die modernen Architekten vorschlugen, nicht aus der Architekturtheorie, sondern von Ärzten, Krankenschwestern und der Krankenhausarchitektur, insbesondere von Tuberkulose-Sanatorien. Um die Jahrhundertwende arbeiteten in Orten wie Davos junge Spitzenärzte, junge Architekten und junge Ingenieure zusammen. Das war die wahre Avantgarde. Das erste Gebäude aus Stahlbeton in der Schweiz war ein Tuberkulose-Sanatorium. Es war ein Laboratorium der modernen Architektur. Nehmen wir die Sonnenterrassen für die Kur: Sie übertrugen die Idee der deutschen Lebensreform des 19. Jahrhunderts, nach draussen in die gesundheitsfördernde Sonne zu gehen, direkt auf das Gebäude. Diese Durchdringung von Innen und Aussen wurde zum Markenzeichen der modernen Architektur, ebenso wie weisse Wände, grossflächige Verglasung, klare Linien, Verzicht auf Ornamente usw. – was alles schon lange vor der modernen Architektur zu den medizinischen Protokollen gehörte.
Open Air School (Openluchtschool) for Healthy Children, Amsterdam (1927-30), entworfen von Bernard Bijvoet und Jan Duiker
Aino Aalto im Liegestuhl, den sie für das Paimio Sanatorium entworfen hat, ca. 1934, Foto: Alvar Aalto, © Alvar Aalto Museum
Du behauptest, dass nicht nur die Tuberkulose-Pandemie, sondern auch die Entdeckung der Röntgenstrahlen als Diagnosemittel die moderne Architektur geprägt hat.
Ich war fasziniert davon, dass zur gleichen Zeit, als man mit dem Röntgenbild in das Innere des Körpers sehen konnte, Architekten das Innere ihrer Gebäude sehen wollten, um das Innere und sogar die «Knochenstruktur» zu enthüllen. Mies van der Rohe sprach von Haut-und-Knochen-Architektur und war von Röntgenbildern fasziniert – er veröffentlichte sie sogar. Die gesamte Mies-Ästhetik ist eine Röntgenästhetik. Dieser Wunsch nach Sichtbarkeit wie beim Röntgen hatte einen enormen Einfluss auf die Architektur.Eine Darstellung von 1930 von Alvar Aalto, die die Sonnen- und Wärmestrahlen in einem Patientenzimmer im Paimio Sanatorium veranschaulicht, Zeichnung: Alvar Aalto, © Alvar Aalto Museum
Die frühen Sanatorien verfügten über Terrassen und waren auf Sonne und Behandlungen im Freien ausgerichtet – Heliotherapie. Wie kommt es, dass diese ursprünglich für die Behandlung einer tödlichen bakteriellen Infektion gedachten Entwürfe in der Alltagsarchitektur üblich wurden?
Während des grössten Teils des 19. Jahrhunderts wurden in Krankenhäusern nicht nur die Armen, sondern die absolut Mittellosen behandelt. Es waren elende Orte – und genau das begann sich mit der Modernisierung zu ändern. Um die Jahrhundertwende begannen wohlhabende Leute, in Sanatorien wie dem Purkersdorf in Wien wegen der Überreizung durch die Grossstadt ihre Nerven zu behandeln. Sanatorien wurden zu Sehnsuchtsorten, wo in der Atmosphäre eines Kurortes alle möglichen Krankheiten behandelt werden konnten. Mein Buch zeichnet nach, wie dieser Sehnsuchtsraum demokratisiert und schliesslich zum Alltagsmodell wurde.«Liegekur» auf der Terrasse der Villa Pravenda, Davos, ca. 1900
Du befasst dich auch mit Dr. Philip Lovell, der in den 1920er- und 30er-Jahren ein berühmter Gesundheitsguru in Los Angeles war und dazu beitrug, den von Sanatorien inspirierten europäischen Modernismus in Kalifornien zu etablieren. Mit dem Aufkommen von LSD-Mikrodosierung, intermittierendem Fasten und Goop haben wir doch das Gefühl, dieses «Gesundheits»-Experiment noch immer zu erleben.
Ja. Gwyneth Paltrow ist die Dr. Lovell von heute! Aber Dr. Lovell war ja überhaupt kein Arzt. Er hat nie Medizin studiert, sondern war, was man einen Quacksalber nennt. Er machte einen zweiwöchigen Chiropraktik-Kurs, ging nach Kalifornien und wurde sofort berühmt, weil er behauptete, dass alle Gesundheitsprobleme mit der Ernährung zusammenhingen. Er propagierte Bewegung, Schlafen an der frischen Luft und Nacktbaden in der Sonne – und schon suchten all die reichen Leute Dr. Lovell auf, darunter auch der Herausgeber der Los Angeles Times. Dr. Lovell begann, eine Kolumne in der L.A. Times zu schreiben, und wurde superberühmt. Er beauftragte Rudolph Schindler mit dem Bau eines Hauses in Newport Beach und Richard Neutra mit dem Bau des so genannten Health House in L.A.Diese Gebäude sollten Tuberkulose vorbeugen und einen energiegeladenen Lebensstil fördern. Sie hatten vor jedem Zimmer Terrassen, auf denen man im Freien schlafen konnte. Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, dass es ewig dauerte, bis eine wirksame Behandlung für Tuberkulose gefunden wurde, weshalb sie lange Zeit eine Krankheit war, die mit Architektur behandelt wurde. Dann, 1943, wurde endlich Streptomycin entdeckt und in den 1950er-Jahren wurden all die Sanatorien geschlossen. Dieselben Architekten, die früher sagten: «Mein Gebäude ist perfekt zur Behandlung gegen Tuberkulose», sagten jetzt: «Es ist perfekt für Ihre geistige Gesundheit.» Neutra ist ein sehr interessanter Fall: Er war selbst an Tuberkulose erkrankt und verbrachte ein Jahr in einem Sanatorium, sein Bruder starb an der Krankheit.
Gab es andere Architekten der Moderne, deren Arbeit mit ihrer eigenen medizinischen Geschichte verbunden war?
Ja, viele. Alvar Aalto zum Beispiel war krank, als er 1929 den Auftrag für das Paimio-Sanatorium erhielt, und er behauptete, dies habe ihm geholfen, das Problem zu verstehen. Er sagte, Architektur sei immer für den gesunden, aufrechtstehenden Menschen konzipiert und dass wir für den Menschen in der schwächsten Position entwerfen sollten. Das war für mich eine Offenbarung. Heute werden wir uns der Problematik von Behinderungen immer stärker bewusst und bauen Rampen und andere Vorrichtungen nachträglich ein. Aber oft funktionieren die Gebäude dennoch nicht für alle. Aalto beschrieb hingegen den Weg, der in der Architektur nicht gegangen wird: dass, wenn wir immer für die Schwächsten entwerfen, alle anderen schon zurechtkommen werden.Aussenansicht der Sonnenterrassen von Alvar Aaltos Paimio Sanatorium, ca. 1934, Foto: Alvar Aalto, © Alvar Aalto Museum
Ist COVID-19 die Tuberkulose des 21. Jahrhunderts? Und wenn ja, welche Auswirkungen wird sie auf die Architektur haben?
Es ist eher vergleichbar mit den Cholera-Epidemien des 19. Jahrhunderts, die in einer Welle nach der anderen die Städte auf der ganzen Welt verwüsteten und zu enormen Veränderungen in der städtischen Infrastruktur und Gestaltung führten. Für uns stellt sich die Frage, wie das Coronavirus die Architektur und die Stadt verändern wird. Ich habe versucht, in meinem Buch zu zeigen, dass Architekten wesentlich an der Gestaltung der Gesundheit beteiligt waren und aktiv mit Ärzten und Wissenschaftlern zusammengearbeitet haben. Wir müssen aufwachen und es wieder tun!Veröffentlichungsdatum: 8.4.2022
Bilder: 1. Die obere Sonnenterrasse des 1932 eröffneten Paimio Sanatoriums von Alvar Aalto mit Frischluftkur-Patienten, die finnischen Wälder überblickend, ca. 1933, Foto: Gustaf Welin, © Alvar Aalto Museum; 2. Open Air School (Openluchtschool) for Healthy Children, Amsterdam (1927-30), entworfen von Bernard Bijvoet und Jan Duiker; 3. Aino Aalto im Liegestuhl, den sie für das Paimio Sanatorium entworfen hat, ca. 1934, Foto: Alvar Aalto, © Alvar Aalto Museum; 4. Eine Darstellung von 1930 von Alvar Aalto, die die Sonnen- und Wärmestrahlen in einem Patientenzimmer im Paimio Sanatorium veranschaulicht, Zeichnung: Alvar Aalto, © Alvar Aalto Museum; 5. «Liegekur» auf der Terrasse der Villa Pravenda, Davos, ca. 1900; 6. Aussenansicht der Sonnenterrassen von Alvar Aaltos Paimio Sanatorium, ca. 1934, Foto: Alvar Aalto, © Alvar Aalto Museum;