Die Kooperation von G-Star RAW und Vitra

Interview mit Pieter Kool

Der in den Jahren 2013 bis 2015 tätige Kreativdirektor von G-Star RAW, Pieter Kool, äussert sich im Interview darüber, warum die holländische Denim-Marke für die Einrichtung ihres neuen Hauptsitzes in Amsterdam Produkte von Jean Prouvé eingesetzt hat und wie daraus in Zusammenarbeit mit Vitra eine eigene Edition wurde.

Worauf ist die Liebe von G-Star zu Jean Prouvé zurückzuführen?

Prouvés nüchterne Entwürfe waren mit ihrem Hauptaugenmerk auf Funktionalität ebenso wie seine Material- und Farbentscheidungen von jeher eine Inspirationsquelle für G-Star. Unser Motto lautet «Just the Product», die demokratische Zielsetzung und Zweckmässigkeit von Prouvés Entwürfen passt also zu Denim. Prouvés Möbel entwickeln mit dem Alter Charakter – genau wie Jeans. Unsere Denkart gleicht sich, insofern wir darauf abzielen, Produkte mit einer hohen funktionalen und ästhetischen Lebenserwartung zu erschaffen. G-Star, Jean Prouvé und Vitra haben eine gleichermassen hohe Wertschätzung für demokratisches Design, handwerkliches Können, Qualität, Funktionalität, Ästhetik, Innovation und Technologie. Im Crossover-Projekt der Prouvé RAW Office Edition können wir ein einzigartiges Design-Experiment durchführen, bei dem wir unsere eigene Design-DNS mit der zweier von uns bewunderter Branchen-Ikonen kreuzen.

Diverse Möbelstücke sind jetzt in dieser Kollektion erhältlich. Welches Motiv steckt dahinter?

Zusammen mit Vitra und Catherine Prouvé wollten wir Prouvés Designklassiker neu interpretieren, wieder auf den Markt bringen und mehr Menschen zugänglich machen – nicht nur der glücklichen Minderheit, die alte Prouvé-Möbel finden und das Sammeln finanzieren kann.

Es dürfte Diskussionen in Ihrer Belegschaft darüber gegeben haben, dass man historische Arbeitsstühle nutzt anstelle von modernen Arbeitsstühlen, die all den heutigen ergonomischen Ansprüchen genügen. Welche Überlegungen haben Sie dabei geleitet, und sind Sie und Ihre Mitarbeiter mit der Entscheidung zufrieden?

Unser Ansatz bei der Zusammenarbeit war von Anfang an, uns so nah wie möglich an die ursprünglichen Entwürfe zu halten und bei der Materialqualität keinerlei Kompromisse einzugehen. Da der erste Prouvé-RAW-Crossover eine Heimkollektion war, gab es in dieser Hinsicht auch praktisch keine Hürden. Eine Bürokollektion ist wegen arbeitsrechtlicher Vorschriften und den Ansprüchen an ein modernes Büroumfeld problematischer – wie vereinbart man Prouvés Ästhetik mit Höhenverstellbarkeit, Kabelwannen und Bürostuhlgestellen mit fünf Rollen? Wir haben neue Produktionstechniken zum Einsatz gebracht und die ergonomischen Aspekte der Entwürfe überprüft. Daraus ergaben sich Grössenveränderungen bei den Stühlen, hauptsächlich weil sowohl Männer als auch Frauen heute grösser sind. Beim gesamten G-Star-Headquarters-Projekt, bei Innen- und Aussenausstattung, sind wir davon ausgegangen, dass der Bürostuhl bei unseren Mitarbeitern am ehesten Unruhe stiften würde. Wir haben den Prototyp verschiedenen Testgruppen vorgestellt und das Feedback genutzt, um zum Einen den Stuhl ergonomisch zu optimieren, zum Anderen aber auch Verständnis für unsere Vorstellungen zu erzeugen. Der Bürostuhl verfügt nicht über die endlosen Funktionen vieler heutiger Bürostühle, aber er erfüllt alle europäischen Richtlinien, und das war uns das Wichtigste. Wir wollten den Stuhl auf seine grundlegende Funktionalität reduzieren, und das ist uns gelungen. Auf alles andere haben wir verzichtet. Das Ergebnis: Keine Beschwerden und ein erschwinglicher, wunderschöner Stuhl.

Ist Ihr Mitarbeiterstab mit dieser Entscheidung glücklich?

Ja. Die Stühle und Schreibtische sind nicht nur bequem, sondern werden auch für ihre Ästhetik gelobt.
Wenn ein Arbeitsumfeld aus demselben Geist heraus lebt, für den man als Marke einsteht, dann ist das für das gesamte Team eine beständige Inspirationsquelle.

Sie haben darüber hinaus ein eigens angefertigtes Möbelstück integriert, um den architektonischen Raum zu bewahren und die Lagerkapazitäten für alle Arbeitsmaterialien zu erhöhen: eine fast einen Kilometer lange Interpretation der Silent Wall, die Arik Levy mit Vitra entwickelt hat. Wie kam es dazu?

Auch in unseren früheren Bauten haben wir schon eigene Projekte, Mustersammlungen sowie inspirierende Werkstoffe und Drucke ausgestellt, also starke visuelle Reize geschaffen. Uns war daran gelegen, dass die neue Innenausstattung das unterstützt, ohne zu viel Aufmerksamkeit zu beanspruchen. Daher haben wir uns für das monochrome Farbschema der Innenausstattung entschieden. Die auf dem Markt erhältlichen Wandsysteme boten keine Unterstützung dieser zurückhaltenden Einrichtungssprache. Wir wollten ein Wandsystem und sonst nichts. Schränke sind nur dickere Wände mit Türen dran, deshalb sollte das Wandsystem zwei Stärken haben: 10–15 cm für schlichte Wände und 40 cm für Wände mit Lagerfunktionen. Arik Levys System ist ein gutes Wandsystem, aber die Schränke sind separate Elemente. Wir haben uns dafür entschieden, die Lagerfunktionen in die Wand zu integrieren, und Anschlusselemente hinzugefügt, um die Freiheit der Unterbringung zu optimieren. Die äusseren Paneele haben wir neu designt, um sie ebenso mit unseren Designkonzepten in Einklang zu bringen wie die Farbgebung des Gebäudes.

Sie arbeiten jetzt seit einem Dreivierteljahr in den neuen Räumlichkeiten. Wie entwickelt sich die Kultur von G-Star?

Vor dem Umzug waren die Abteilungen von G-Star auf drei verschiedene Standorte in Amsterdam verteilt. Wir sehen unsere wichtigste kreative Leistung in der Produktentwicklung – egal, ob es nun um dreidimensional entworfene Jeans mit ergonomischen Knieschonern oder um Tische für unsere Einzelhandelsabteilungen geht –, deswegen war es unser Ziel, dass sich die verschiedenen Abteilungen gegenseitig beeinflussen. Wir wollten ein Umfeld schaffen, in dem sich Spezialisten verschiedener Gewerbe gegenseitig inspirieren und stimulieren können. Um unsere Kreativität zu optimieren, wollten wir einen Raum herstellen, wo alle zusammenkommen und an einem starken Produkt arbeiten. Unsere neue Unternehmenszentrale erreicht dieses Ziel; sie fusioniert die bisherigen Anlagen von G-Star im Grossraum Amsterdam in einen einzigen Komplex und begünstigt das Zusammenspiel der verschiedenen Abteilungen.

Empfehlen Sie anderen Unternehmen, klassische Elemente in ihre Innenausstattung einzubeziehen?

Wir bei G-Star glauben fest daran, dass man der eigenen DNS treu bleiben sollte. Wenn ein Arbeitsumfeld aus demselben Geist heraus lebt, für den man als Marke einsteht, dann ist das für das gesamte Team eine beständige Inspirationsquelle. Wir selber finden genau das in den Produkten der Kollektion Prouvé RAW Office.„Unser Motto lautet „Just the Product", die demokratische Zielsetzung und Zweckmässigkeit von Prouvés Entwürfen passt also zu Jeans. Prouvés Möbel entwickeln mit dem Alter Charakter – genau wie Jeans."

Veröffentlichungsdatum: 12.6.2015
Autor: Vitra
Titelbild: Jormaas Images
Bilder G-Star Unternehmenszentrale: Misha de Ridder



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