Der Atlas des Möbeldesigns

Drei Fragen an Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums

Anfang November 2019 veröffentlichte das Vitra Design Museum ein Grundlagenwerk zur Geschichte des modernen Möbeldesigns. Der Veröffentlichung voraus gingen über 20 Jahre Recherchearbeit im Zusammenspiel mit mehr als 70 Experten weltweit. Mateo Kries, Direktor des Vitra Design Museums und Herausgeber des Buchs, beantwortet die wichtigsten Fragen.

Die Idee, ein enzyklopädisches Buch zum Thema Möbeldesign herauszubringen existiert im Team des Vitra Design Museums schon seit den 1990er Jahren. Nun liegt es vor. Was macht den Atlas des Möbeldesigns einzigartig?

Mit mehr als 1.000 Seiten ist der «Atlas» das umfassendste Buch, das je zu diesem Thema publiziert wurde. Er enthält mehr als 2.800 Abbildungen: von Objektaufnahmen über Entwurfszeichnungen bis hin zu Interieurs, Kunstwerken, Patenten, Broschüren, Gebäuden sowie Porträts der Designer. Es gibt bislang schlicht kein Buch, das die Geschichte des Möbeldesigns so umfassend und wissenschaftlich aufbereitet und dokumentiert. Was den Atlas einzigartig macht, ist aber auch die Fülle der Information auf unterschiedlichen Ebenen: Es gibt nicht nur ausführliche Texte zu einzelnen Objekten, sondern auch Essays, Glossare zu Herstellern und Materialien, Biografien, und natürlich – das darf ja bei einer solchen Enzyklopädie nicht fehlen – auch detaillierte Infografiken, darunter unterschiedlichste Zeitleisten zur weltweiten Entwicklung des Designs oder die Evolution und Typen bahnbrechender Möbeltypen, wie die des Freischwingers oder des Monoblocs.

Die Sammlung des Vitra Design Museums wird seit 30 Jahren systematisch vervollständigt, um ein möglichst umfassendes Bild des Möbeldesigns in den letzten zwei Jahrhunderte abzubilden. Das Buch ist in direktem Zusammenhang mit dieser Sammlung entstanden. Die Redakteure, die über viele Jahre hinweg an dem Buch arbeiteten, hatten bei ihren Recherchen durchgängig Zugang zu den physischen Objekten, die für den Atlas auch alle neu fotografiert wurden. Wieso war dies wichtig?

Das ist korrekt, die Basis für den Atlas des Möbeldesigns ist die Sammlung des Vitra Design Museums. In den letzten Jahren konnten wir einige Sammlungslücken schliessen, wodurch sich das Design der letzten 200 Jahre nun sehr umfassend abbildet. Bei der Arbeit für den Atlas ermöglichte die Sammlung – neben dem unabdingbaren visuellen Eindruck – direkte Forschung am Objekt, die eine wesentliche Voraussetzung für die Produktion neuen Grundlagenwissens ist. Auf diese Art konnte unser Team Details wie Polsternähte, Stofftexturen, Holzverbindungen oder Herstellermarken ganz exakt überprüfen. Bei vielen Recherchen sind wir immer wieder auf Ungenauigkeiten oder Fehler in vielen Büchern und Quellen gestossen. Das wollten wir mit dem Atlas ändern, er soll eine verlässliche Faktenbasis für die Forschung zum Thema Möbeldesign schaffen.

Die Sammlung des Vitra Design Museums umfasst mehr als 20.000 Objekte, davon 7.000 Möbelstücke. Der Atlas fokussiert sich auf 1.740 davon. Nach welchen Kriterien wurden die Objekte ausgewählt?

Nach sehr vielen verschiedenen Kriterien. Zum einen sollten die wesentlichen Strömungen des Möbeldesigns vertreten sein, von denen des frühen 19. Jahrhunderts bis heute. Natürlich mussten auch die wichtigen Designer angemessen vertreten sein, die grossen Klassiker durften nicht fehlen, auch bestimmte Materialien, Konstruktionsformen oder Typologien sollten repräsentiert sein. Nicht zuletzt sollten neben den bekannten Stücken natürlich auch Überraschungen drin sein, und vor allem auch die Objekte, die es wirklich in die Lebenswelt vieler Menschen geschafft haben. So war es schliesslich ein grosses Puzzlespiel, die Auswahl zusammenzustellen, und wir haben dabei nochmal die Grundfrage jeder Sammlung gestellt: Was ist wirklich wichtig, was bleibt?

Veröffentlichungsdatum: 28.11.2019
Bilder: Jürgen HANS, Bettina Matthiessen, Ludger Paffrath, © Vitra Design Museum, VG Bild-Kunst Bonn 2019

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