Tane Garden House

Ein Gespräch mit Tsuyoshi Tane

Wie kam das Projekt zustande und was waren Ihre anfänglichen Gedanken?

Tsuyoshi Tane: Als Rolf Fehlbaum [Chairman Emeritus von Vitra] uns mit dem Auto abholte und uns zum Vitra Campus fuhr, erzählte er mir von seiner Kindheit, seinen Erinnerungen und wie er früher mit seiner Grossmutter hierherkam, als das Gebiet noch ein grosses Feld war. Der Vitra Campus entstand im Laufe einiger Jahre und er hatte den Wunsch, in der nächsten Phase des Vitra Campus die Natur zurückzubringen. Um dieses Ziel zu erreichen, hatte er bereits den Oudolf Garten in Auftrag gegeben. Rolf fragte mich dann plötzlich: «Tsuyoshi, hättest du Interesse ein Gartenhaus zu entwerfen?»

Was war Ihr Weg bis zum endgültigen Design?

Der Entwurf des Garden House dauerte drei Jahre. Wir hatten viele Gespräche und Diskussionen und die Entwicklung des finalen Konzepts brauchte einfach Zeit. Wir haben nicht nur heimische Materialien verwendet, sondern auch gelernt, die lokale Grammatik, Muster und Techniken widerzuspiegeln, ähnlich wie wenn man lernt, im Alltag eine neue Sprache anzuwenden. Das Ergebnis ist eine einzigartige, unverfälschte und warmherzige Form der Architektur.

Was war das Besondere beim Entwickeln eines Hauses, das so vielen Bedürfnissen gerecht werden soll?

Die Herausforderung lag darin, ein Gartenhaus für die Gärtnerinnen und Gärtner zu gestalten und gleichzeitig eine öffentlich zugängliche Beobachtungsplattform sowie einen Küchengarten für die Mitarbeitenden und einiges mehr zu integrieren. Bei jedem Schritt des Projekts mussten wir lernen, diese Herausforderung anzunehmen und jeweils festzulegen, was wir benötigten, und wie wir heimische Materialien und Techniken finden konnten, die eine nachhaltige Bauweise ermöglichen.

Was bedeutet Ihr Konzept «Archäologie der Zukunft»?

Wie Archäologen begeben wir uns auf eine lange Entdeckungsreise und beginnen damit, die Erinnerungen eines Ortes ans Licht zu bringen. Es ist ein Prozess der Überraschungen und Entdeckungen, eine Bemühung, Dingen zu begegnen, die wir nicht kannten, vergessen hatten oder solche, die durch die Modernisierung und Globalisierung verlorengegangen waren. Wir glauben, dass tief im Erdboden und in der Geschichte jedes Orts Erinnerungen schlummern. Wir glauben, dass Erinnerung nicht in die Vergangenheit gehört, sondern die Antriebskraft ist, die neue Architektur ermöglicht. Durch diesen gedanklichen Prozess – von der Erinnerung eines Ortes aus über die Zukunft nachzudenken – wird aus Archäologie allmählich Architektur. Das nennen wir «Archäologie der Zukunft».

Und wie wurde dieses Prinzip auf das Tane Garden House angewandt?

Wir hatten Nachforschungen angestellt, um mehr über die Vergangenheit des Gartens als menschliche Schöpfung herauszufinden, und damit die Notwendigkeit eines dazugehörigen Hauses oder einer Hütte zu begründen. In einer nächsten Phase lud uns Rolf Fehlbaum ein, das Schweizer Freilichtmuseum Ballenberg zu besuchen, was uns dazu veranlasste, uns noch weiter zu vertiefen und mehr über die Rolle des Dorflebens in Sachen Nachhaltigkeit herauszufinden.

Welche Bedeutung hat dabei die Beschaffung des Baumaterials?

Wir wollten dieses Projekt mit «oberirdischen» Materialien entwickeln. Heutzutage erfordert die Bauindustrie neben Versicherungen und Zertifizierungen bestimmte Standards und viele Gebäude werden aus stark weiterverarbeiteten «unterirdischen» Materialien hergestellt. Dadurch haben wir Handwerkskunst und viel Wissen über natürliche Materialien verloren und können Gebäude nicht mehr auf nachhaltige Art und Weise instand halten.

Sind die Materialien, die für das Garden House verwendet werden, langlebig? Werden Sie gut altern?

Ja, sie sind langlebig und nachhaltig. Die natürlichen Materialien sind im Vergleich zu industriell hergestellten Materialien weicher. Dadurch hinterlassen die Zeichen der Zeit einen positiven, sichtbaren Eindruck und bilden eine schöne Patina. Und auch wenn die Reparatur oder der Austausch eines Bestandteils bestimmte Fertigkeiten erfordern, kann dies auf eine nachhaltige Art und Weise getan werden.

Inwiefern wurden Sie durch das aktuelle Layout des Vitra Campus und der Gebäude beeinflusst, oder wie waren sie für Sie richtungsweisend?

Wir sind ein junges Architekturteam und das Garden House ist umgeben von Meisterwerken von einigen der renommiertesten Architekten der Welt. Natürlich sind deshalb der Umfang und die Anforderungen anders, aber wir orientieren uns am Geist von Unabhängigkeit und Bescheidenheit. Wir befinden uns neben dem Oudolf Garten und dem Umbrella House, haben jedoch auch versucht, uns die Zukunft des Vitra Campus vorzustellen.

Vitra strebt bei seinen Produkten Langlebigkeit an. Erfüllt das Garden House diesen Anspruch ebenfalls?

Definitiv. Heutzutage haben Design und Architektur eine kürzere Lebensspanne als ein durchschnittliches menschliches Leben. Die wirkliche Qualität von Design und Architektur zeigt sich dann, wenn etwas auf lange Sicht Bestand hat und Generationen überdauert.

Veröffentlichungsdatum: 21.7.2023
Bilder: Vitra; Julien Lanoo