Eine Konversationsgrube

Eine Vitra Anekdote

Im Jahr 1952 beauftragten der Patron der modernen Architektur, J. Irwin Miller, und seine Frau Xenia ein bemerkenswertes modernistisches Dreigestirn von Architekten mit dem Entwurf für ihr neues Privathaus in Columbus, Indiana: Eero Saarinen war für das Miller House selbst, Daniel Urban Kiley für die Landschaftsgestaltung und Alexander Girard für das Interieur der Residenz verantwortlich.
Die Residenz wurde in enger Zusammenarbeit mit der Familie Miller entworfen und als Architekt und Textildesigner nutzte Alexander Girard all seine Talente, um den hellen, offenen Innenräumen die warme Atmosphäre eines gemütlichen Zuhauses zu verleihen. Als das Haus inklusive Interieur und Umgebung im Jahr 1957 fertig wurde, war Girard ein guter Freund der Familie geworden und blieb Teil im Leben der Millers bis zu den frühen 1980er-Jahren.
Für das Miller House hat Alexander Girard eine lebendige Palette von gemusterten Vorhängen und mehrere Teppiche entworfen – darunter ein abstraktes Design für das Esszimmer und eines für den Fernsehbereich mit grafischen Motiven, die sich an der Geschichte und den Interessen der Familie orientierte. Er kreierte auch individuelle Muster für Sitzbezüge, die Xenia Miller und ihre Freunde unter seiner Anleitung mit den Initialen der Familienmitglieder bestickten.

Für das mobile Interieur hat Girard eine Reihe massgeschneiderter Möbel entwickelt und für die dekorativen Elemente eine Mischung aus eigenen Entwürfen, ausgewählter Volkskunst und etablierter Kunst, wie von Claude Monet, zusammengestellt.
Als absolutes Herzstück des Hauses entwarf Alexander Girard im Wohnzimmer eine in den Boden abgesenkte, über vier Stufen erreichbare Lounge ohne Geländer, umrandet von Steinmauern und ausgekleidet mit einer Symphonie an farbigen Kissen.

Diese „Konversationsgrube“ sollte die Geselligkeit fördern, ohne den Fluss des Raums mit Beinen von Möbeln zu stören. Sich in einen spezifisch für Gespräche geschaffenen Raum fallen zu lassen, gab der Idee, mit Gästen zu interagieren, eine neue Tiefe – physisch und sozial. Ohne Verlust an Kultiviertheit oder Höflichkeit schuf die Konversationsgrube mehr Intimität bei Unterhaltungen – und erlaubte gleichzeitig eine neue Perspektive auf den restlichen Wohnbereich. Ein grosses Interesse Girards bestand schon immer darin, neue Sichtweisen zu schaffen, und die Konversationsgrube war eine perfekte Manifestation dieses Ziels.
Die Kissen und Hussen, die saisonal verändert wurden, dienten dazu, den Zweck der Konversationsgrube für Gäste zu erweitern: Die Stoffe in allen Farben und Texturen stammten aus der ganzen Welt und schufen eine globale Kulisse für Abende mit Freunden – schwere Stickereien aus Mexiko, zarte Seide aus Japan, verspiegelte Baumwolle aus Indien und natürlich auch viele von Girards eigenen Stoffen. Die reiche Auswahl an Farben und Texturen sorgte nicht nur für einen überwältigenden Anblick, sondern brachte auch das Thema der menschlichen Verbindungen zum Ausdruck, das Girard in seiner Arbeit fortlaufend beschäftigte.

Heute ist das Miller House in Columbus, Indiana, eines der bekanntesten Beispiele modernistischen Mid-Century-Wohnens. Das Haus und sein Garten wurden im Jahr 2000 zur „National Historical Landmark“ der USA erklärt und sind über das Indianapolis Museum of Art für die Öffentlichkeit zugänglich.

Veröffentlichungsdatum: 12.4.2016
Autor: Aleishall Girard, Stine Liv Buur
Bilder: Miller House, Columbus, Indiana, 1953-57. Wohnzimmer, Gesprächsgrube. Balthazar Korab, courtesy of The Library of Congress; Stoffdesigntafel von Alexander Girard für das Miller House, ca. 1956, Miller House and Garden Collection, Indianapolis Museum of Art Archives.



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