«Ich wollte kein Museumsstück haben»

Helen Berresford über ihren Eames Lounge Chair

Helen Berresford ist Architektin und Innenarchitektin und leitet ID:SR Sheppard Robson. Bei ihrer Arbeit mit einigen der bedeutendsten Unternehmen Grossbritanniens – unter anderem BBC, BT oder Deloitte – hat sich Helen für ein «activity-driven design» eingesetzt. Dieser Ansatz stellt den Menschen und die spezifischen Tätigkeiten seiner Arbeit in den Mittelpunkt des Designprozesses. Helen ist dafür bekannt, organisatorische Herausforderungen kreativ zu lösen und die Ideen ihrer Kunden in inspirierende, nützliche Räume zu übersetzen.

Im Interview spricht Helen über ihren Eames Lounge Chair von Vitra und erklärt seine Bedeutung für sie und ihre Familie und was er uns über die Architekturbranche im Allgemeinen verrät.

Helen, kannst du uns mehr über den Eames Lounge Chair erzählen, auf dem du sitzt?
Nun, das ist ein ganz besonderer Stuhl, so etwas wie ein Familienmitglied. Mein Vater hat ihn in den 1960er-Jahren gekauft und in meiner Kindheit und Jugend hatte dieses Symbol für modernes Designs einen prominenten Platz im Haus, das mein Vater für uns entworfen hat. Der Sessel war eine grosse Anschaffung, und einen so radikal modernen Stuhl im Haus zu haben, war sehr ungewöhnlich. In jener Zeit konnte ich mir kaum vorstellen, wie ikonisch der Stuhl einmal werden oder wie sehr er unsere Familie emotional berühren würde.
Der Lounge Chair ist von Generationen benutzt und das Leder im Laufe der Zeit zerstört worden. Wir sind gerade damit fertig geworden, mit Vitra die Polsterung originalgetreu zu ersetzen, das Palisanderholz zu pflegen und den Stuhl wieder zum Leben zu erwecken.
War es in Anbetracht der emotionalen Bindung eine schwierige Entscheidung, ihn zu reparieren?
Für die Entscheidung, was wir mit dem Sessel machen wollen, haben wir lange gebraucht. Wir wollten seine ursprüngliche Erscheinung wiederherstellen, um sicherzugehen, dass er weiter als Teil des Familienlebens funktioniert. Ich wollte kein Museumsstück haben, sondern einfach das nächste Kapitel in seiner Geschichte schreiben. Es hatte etwas Befriedigendes, dass Vitra den Lounge Chair immer noch auf die gleiche Weise produziert, und es war beruhigend, mit Experten zusammenzuarbeiten, die bei der Aufbereitung des Stuhls einen fast wissenschaftlichen Ansatz verfolgten. Das Vitra-Team kannte jede Schraube, jedes Gussteil und jede Naht, die für die Authentizität des Entwurfs entscheidend sind – und die Pflege der Handwerkskunst und Liebe zum Objekt waren unverkennbar.
Was sagt uns die Geschichte dieses Sessels über die Architekturbranche?
Nun ja, es ist zumindest interessant, darüber nachzudenken, wann der Lounge Chair entworfen wurde und wo die Gesellschaft heute steht. Der Entwurf stammt aus einer Zeit der Knappheit und des Strebens nach Effizienz. Angesichts der Klimakrise ist es meiner Meinung nach an der Zeit, mit dem, was vorhanden ist, nach besseren Lösungen zu suchen, und den Einfluss der allgegenwärtigen Wegwerfkultur auf unsere Industrie und Lebensweise zu brechen.
Die Wiederverwendung geht inzwischen weit über die Wiederbelebung von Gebäuden hinaus. Unsere Branche hat sich auf die Wiederverwendung und das Upcycling von Bürokomponenten eingestellt, um immer ehrgeizigere Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Möbel sind ein wichtiger Teil davon und wir stellen immer mehr hochwertige, langlebige Stücke in Stand und geben ihnen ein neues Leben – so wie diesem Eames Lounge Chair.
«Wir müssen mit dem, was wir haben, kreativer sein.»
Helen Berresford
Bewegt sich die Architektur- und Designbranche denn schnell genug?
Es hat sich einiges geändert. Noch vor ein paar Jahren wären viele Produkte bei der Renovation von Büros und bei Umzügen auf dem Müll gelandet, ohne dass man sich Gedanken über eine Wiederverwendung gemacht hätte. Mittlerweile gibt es eine wachsende Industrie, die das Interesse an Reparaturen aufnimmt und die Barrieren für Upcycling abbaut. Wenn wir die Wiederverwendung von Bauteilen und Möbeln zum Standard und nicht zur Ausnahme machen wollen, muss diese Branche allerdings schnell wachsen.
Die Reparatur des Lounge Chairs, auf dem ich sitze, macht deutlich, dass die Wiederverwendung – die ihre eigenen Herausforderungen hat – lohnend und ein wesentlicher Bestandteil des Lebens eines Designobjekts sein kann. Mit Sorgfalt und Wissen kann so ein Prozess das Praktische und zusammen mit dem Emotionalen freisetzen.

Veröffentlichungsdatum: 20.08.2025
Bilder: © Abigail Evans

Das könnte Sie auch interessieren