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Gedanken zum ortsunabhängigen Arbeiten
Jonathan Olivares
Im Oktober 2016 habe ich das physische Büro, von dem aus ich zehn Jahre lang gearbeitet hatte, geschlossen. Der Wunsch nach mehr Flexibilität, Überraschungen und Freiheiten in meiner Routine und nach einem geringeren Fussabdruck – frei von zu vielen Arbeitsgeräten – trieb mich zu dieser Entscheidung. Der Artikel der New York Times «What Hollywood Can Teach Us About the Future of Work» von Adam Davidson lieferte mir die Begründung, die ich brauchte: Genauso wie Filme von speziell für den Film zusammengestellten Projektteams produziert werden, so könnte ich Projektteams bilden, die auf die spezifischen Bedürfnisse einzelner Projekte ausgerichtet sind, oder Teil von solchen Teams sein. Anstatt in einem Büro nach meinem Design zu arbeiten – und vor mich her zu schuften –, könnte ich überall arbeiten.
Während der letzten zwei Jahre zählte ich lediglich einen Rucksack, meinen Laptop, Notizbücher, Stifte, ein Paar schallunterdrückende Kopfhörer, Materialproben und Bücher, die sich bei jedem Projekt ansammeln, zu meinen Arbeitsgeräten. Ich arbeite in öffentlichen Bibliotheken und Hochschulbibliotheken, in meinem Auto, zuhause, in Hotellobbys, gemieteten Konferenzräumen, Bars, Cafés, Restaurants, Food-Courts, Flughafenlounges, Flugzeugen, Büros von Kollegen und Kunden, an Picknicktischen in Pärken, in Skateparks, Fitnessstudios, Schwimmbädern, Spas, im Flugzeughangar eines Freundes und auf Wanderwegen.
In seinem Aufsatz von 1983 «The Future of the Office?» stellt George Nelson einige interessante Spekulationen an: «Vielleicht ist für einige Menschen nicht das Büro der beste Ort, um eine Rede oder einen wichtigen Bericht zu verfassen, sondern vielmehr eine Art Arbeitsnische in einer Bibliothek mit Telefonverbot. Für andere ist es vielleicht ein freier Tisch in der firmeneigenen Cafeteria oder Snackbar.» Wenn wir Nelsons Gedanken ins Extreme ziehen würden, müssten wir jeden Ort, der kein Bürotisch ist, erwägen und all diese Orte dann mit den verschiedenen Aufgaben, aus der die Arbeit heute besteht, multiplizieren. Das ergäbe Hunderte möglicher Kombinationen von Aufgaben und Orten.
Während der letzten zwei Jahre zählte ich lediglich einen Rucksack, meinen Laptop, Notizbücher, Stifte, ein Paar schallunterdrückende Kopfhörer, Materialproben und Bücher, die sich bei jedem Projekt ansammeln, zu meinen Arbeitsgeräten. Ich arbeite in öffentlichen Bibliotheken und Hochschulbibliotheken, in meinem Auto, zuhause, in Hotellobbys, gemieteten Konferenzräumen, Bars, Cafés, Restaurants, Food-Courts, Flughafenlounges, Flugzeugen, Büros von Kollegen und Kunden, an Picknicktischen in Pärken, in Skateparks, Fitnessstudios, Schwimmbädern, Spas, im Flugzeughangar eines Freundes und auf Wanderwegen.
In seinem Aufsatz von 1983 «The Future of the Office?» stellt George Nelson einige interessante Spekulationen an: «Vielleicht ist für einige Menschen nicht das Büro der beste Ort, um eine Rede oder einen wichtigen Bericht zu verfassen, sondern vielmehr eine Art Arbeitsnische in einer Bibliothek mit Telefonverbot. Für andere ist es vielleicht ein freier Tisch in der firmeneigenen Cafeteria oder Snackbar.» Wenn wir Nelsons Gedanken ins Extreme ziehen würden, müssten wir jeden Ort, der kein Bürotisch ist, erwägen und all diese Orte dann mit den verschiedenen Aufgaben, aus der die Arbeit heute besteht, multiplizieren. Das ergäbe Hunderte möglicher Kombinationen von Aufgaben und Orten.
«Seit es uns die Arbeitstechnologie ermöglicht hat, praktisch überall zu arbeiten, haben sich die Menschen daran gewöhnt – und schätzen die Vorteile dieser Flexibilität.»
Als wir mit dem Architekten Florian Idenburg an einer Publikation arbeiteten, nutzten wir den Innenhof des West Los Angeles Courthouse – einen beliebten Treffpunkt für Inlineskater –, um den redaktionellen Aufbau zu besprechen. Die Bewegungen und Geräusche der Inlineskater, der Schatten der Bäume und die langen Betonbänke waren die ideale Umgebung, um sich zusammen hinzusetzen und zu unterhalten.
Bibliotheken gehören zu meinen Lieblingsarbeitsplätzen. Ich finde den Gedanken, von der physischen Manifestation von so viel Arbeit in Buchform umgeben zu sein, ungeheuer motivierend. In Los Angeles gehe ich oft zum Brand Library & Art Center in Glendale – das ehemalige Anwesen von Leslie Coombs Brand: Brand, der Entwickler der Stadt, stellte nach seinem Tod 1925 sein Haus und dessen Umgebung der Öffentlichkeit als Park und Bibliothek zur Verfügung. Bei den Bibliotheken in Downtown Los Angeles und Pasadena wird es einem aufgrund der dort ansässigen Obdachlosen nie langweilig; man schätzt sich glücklich, dass man Arbeit hat, und träumt von einem Tag, an dem ein bedingungsloses Grundeinkommen unsere sozialen Missstände beheben könnte. Die UCLA-Bibliotheken sind gediegen, aber die hochgewachsenen Eukalyptusbäume, Kiefern und vielen Strassencafés machen ihren wirklichen Charme aus. In Cambridge, Massachusetts, wo ich manchmal arbeite, gehe ich gerne in den Woodbury Poetry Room, der von Alvar Aalto entworfen wurde. Ich schätze die konzentrierte Materie, angenehme Grösse, warme hölzerne Ausstattung und sanfte Akustik. Für Recherchearbeiten zum Thema Farbe ging ich zum Straus Center for Technical Studies and Conservation bei den Harvard Art Museums – eine Art Bibliothek – in dem natürliche und künstliche Farbpigmente aufbewahrt werden.
Bibliotheken gehören zu meinen Lieblingsarbeitsplätzen. Ich finde den Gedanken, von der physischen Manifestation von so viel Arbeit in Buchform umgeben zu sein, ungeheuer motivierend. In Los Angeles gehe ich oft zum Brand Library & Art Center in Glendale – das ehemalige Anwesen von Leslie Coombs Brand: Brand, der Entwickler der Stadt, stellte nach seinem Tod 1925 sein Haus und dessen Umgebung der Öffentlichkeit als Park und Bibliothek zur Verfügung. Bei den Bibliotheken in Downtown Los Angeles und Pasadena wird es einem aufgrund der dort ansässigen Obdachlosen nie langweilig; man schätzt sich glücklich, dass man Arbeit hat, und träumt von einem Tag, an dem ein bedingungsloses Grundeinkommen unsere sozialen Missstände beheben könnte. Die UCLA-Bibliotheken sind gediegen, aber die hochgewachsenen Eukalyptusbäume, Kiefern und vielen Strassencafés machen ihren wirklichen Charme aus. In Cambridge, Massachusetts, wo ich manchmal arbeite, gehe ich gerne in den Woodbury Poetry Room, der von Alvar Aalto entworfen wurde. Ich schätze die konzentrierte Materie, angenehme Grösse, warme hölzerne Ausstattung und sanfte Akustik. Für Recherchearbeiten zum Thema Farbe ging ich zum Straus Center for Technical Studies and Conservation bei den Harvard Art Museums – eine Art Bibliothek – in dem natürliche und künstliche Farbpigmente aufbewahrt werden.
Woodbury Poetry Room, Harvard University
Straus Center for Technical Studies and Conservation, Harvard University
Einmal, als ich ganz frei von Ablenkung sein wollte, bin ich nach London gereist und arbeitete eine Woche lang bei der Architectural Association. Diese «Arbeitsferien» boten mir einen erfrischenden Tapetenwechsel, eine konzentrierte Atmosphäre an der Schule und genügend Druck, um die Aufgabe, die ich mir für den Tag vorgenommen hatte, innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erledigen. Morgens fasste ich jeweils die Ergebnisse meiner Recherchen des Vortags im Restaurant des Ace Hotels zusammen und erstellte eine To-do-Liste für den kommenden Tag. Flüge von einer Stadt zur nächsten bieten eine optimale Bibliotheksatmosphäre – null Ablenkung. So kann ich meine anspruchsvollsten Aufgaben in fünf- oder sogar elfstündigen Arbeitsmarathons erledigen.
Architectural Association School of Architecture, London
Für ein Meeting mit vier Produktionspartnern, die gemeinsam ein neues Unternehmen gründen wollten, buchte ich für zwei Tage einen Konferenzraum im Robey Hotel in Chicago. Die Privatsphäre, die Ruhe, der Diaprojektor, die lange Tafel, die heruntergelassenen Rollos und das gedämpfte Licht boten uns den richtigen Rahmen, um strukturelle Businessdetails zu besprechen. Nach dem ersten Besprechungstag arbeiteten wir sogar noch effizienter über einem Glas Bier in einem bayerischen Restaurant. Am nächsten Morgen lieferte uns ein koffeinreiches Frühstück im Restaurant The Robey’s wahrscheinlich das produktivste all unserer Meetings, das neue Ideen für einen Finanzierungsplan hervorbrachte, der für alle Beteiligten sinnvoll war. Ein anderes Meeting, das wir erst vor Kurzem zu genau dieser Publikation abhielten, fand in einem Strassencafé in Venedig statt, wo wir auf grossen hölzernen Picknicktischen Layouts überarbeiten und frei besprechen konnten.
Conference Room, Robey Hotel, Chicago
Cafe Robey, Robey Hotel, Chicago
Als ich eine gute Umgebung brauchte, um mit einem Klienten ein sensibles Thema zu besprechen, erinnerte ich mich daran, dass die Küchenchefin Ruth Rogers einmal sagte, Menschen gingen an öffentliche Orte, um private Dinge zu tun. Ich nahm meinen Klienten mit zum Hammer Museum auf einen Rundgang durch die Galerien. Das heikle Thema wurde ganz beiläufig besprochen, und die humorvolle Kunst, die wir uns ansahen, verlieh der ganzen Unterhaltung Optimismus. Danach gingen wir zu einem lokalen persischen Eiscafé und besprachen die weiteren Schritte.
Für mich war es schon immer schwierig, einfach zuzuhören – ausser, wenn ich mich dabei mit etwas anderem beschäftigen kann, bei dem ich wenig nachdenken muss. An der High School und an der Universität machte ich mir Notizen oder kritzelte vor mich hin, um konzentriert zu bleiben. Als ich noch in einem Büro arbeitete und dort Telefonanrufe entgegennahm, ging ich ständig auf und ab, was meine Mitarbeiter verrückt machte. Und während all diese Techniken auch heute noch sehr wirksam sind, bemerkte ich letztens, dass Autofahren das beste Mittel gegen Ablenkungen ist. Deshalb plane ich nun wichtige Anrufe für Tageszeiten ein, während derer es wenig Verkehr gibt, und ich ungehindert mit meinem Gesprächspartner im Kopfhörer auf den Schnellstrassen von Los Angeles umherfahren kann. Als ich einmal im Stau steckte, entschloss ich mich dazu, einen dieser nervigen Anrufe an eine Bank zu tätigen, bei denen sie dich zwanzig Minuten lang in der Warteschlange hängen lassen. Es fühlte sich an, als hätte ich eine Art Lücke in der Matrix entdeckt, wo sich die Zeit im Stau und die Wartezeit am Hörer gegenseitig ausglichen. Ich hatte Zeit, Musik zu hören und meinen Gedanken nachzugehen.
Meiner Erfahrung nach verbringt man die heissesten Tage am besten in einem russischen Spa. Niemand denkt daran, an einem heissen Tag in ein heisses Bad zu gehen. Deshalb sind die Aufenthaltsbereiche bei den Schwimmbecken wie ausgestorben. Ich kann mich da mit meinem Laptop und meinen Büchern einrichten, in die Sauna gehen und meinen Kopf zwischendurch mit einem Sprung ins kalte Wasser frei kriegen. Ich persönlich arbeite dann am besten, wenn ich die Arbeit ganz vermeide. Wenn ich an Hockeyspiele oder zu einem Skatepark gehe, kommen mir oft mehr Ideen zwischen den einzelnen Tricks, als sie mir jemals an meinem Schreibtisch kämen. Dann kann ich es jeweils kaum erwarten, nach Hause zu gehen, zu duschen, und mich mit neuen Ideen wieder an meine Arbeit zu machen.
Für mich war es schon immer schwierig, einfach zuzuhören – ausser, wenn ich mich dabei mit etwas anderem beschäftigen kann, bei dem ich wenig nachdenken muss. An der High School und an der Universität machte ich mir Notizen oder kritzelte vor mich hin, um konzentriert zu bleiben. Als ich noch in einem Büro arbeitete und dort Telefonanrufe entgegennahm, ging ich ständig auf und ab, was meine Mitarbeiter verrückt machte. Und während all diese Techniken auch heute noch sehr wirksam sind, bemerkte ich letztens, dass Autofahren das beste Mittel gegen Ablenkungen ist. Deshalb plane ich nun wichtige Anrufe für Tageszeiten ein, während derer es wenig Verkehr gibt, und ich ungehindert mit meinem Gesprächspartner im Kopfhörer auf den Schnellstrassen von Los Angeles umherfahren kann. Als ich einmal im Stau steckte, entschloss ich mich dazu, einen dieser nervigen Anrufe an eine Bank zu tätigen, bei denen sie dich zwanzig Minuten lang in der Warteschlange hängen lassen. Es fühlte sich an, als hätte ich eine Art Lücke in der Matrix entdeckt, wo sich die Zeit im Stau und die Wartezeit am Hörer gegenseitig ausglichen. Ich hatte Zeit, Musik zu hören und meinen Gedanken nachzugehen.
Meiner Erfahrung nach verbringt man die heissesten Tage am besten in einem russischen Spa. Niemand denkt daran, an einem heissen Tag in ein heisses Bad zu gehen. Deshalb sind die Aufenthaltsbereiche bei den Schwimmbecken wie ausgestorben. Ich kann mich da mit meinem Laptop und meinen Büchern einrichten, in die Sauna gehen und meinen Kopf zwischendurch mit einem Sprung ins kalte Wasser frei kriegen. Ich persönlich arbeite dann am besten, wenn ich die Arbeit ganz vermeide. Wenn ich an Hockeyspiele oder zu einem Skatepark gehe, kommen mir oft mehr Ideen zwischen den einzelnen Tricks, als sie mir jemals an meinem Schreibtisch kämen. Dann kann ich es jeweils kaum erwarten, nach Hause zu gehen, zu duschen, und mich mit neuen Ideen wieder an meine Arbeit zu machen.
Jonathan Olivares
Wenn ich zuhause arbeite, dann an vielen verschiedenen Orten: Ich habe einen Stehtisch, einen Esstisch und ein Tagesbett in meinem Arbeitszimmer; einen Biergartentisch auf meinem Balkon; ein Sofa und einen Lounge-Sessel in meinem Wohnzimmer und eine Bar in meiner Küche. Ich lebe in der Nähe des Hollywood Reservoirs – eines fantastischen Orts, um bei einem Spaziergang meinen Kopf durchzulüften oder mit einem Kollegen zu plaudern. Nicht jeden Tag, aber manchmal brauche ich ein zweistündiges Nickerchen mitten am Tag. Nach dem Aufwachen trinke ich einen Kaffee und gehe zurück an die Arbeit. Neu gestärkt arbeite ich so bis in den späten Abend hinein. In seinem Buch «Daily Rituals» schreibt Mason Curry, dass Louis Kahn, Thomas Mann und Frank Llyod Wright als Teil ihrer Routine Nickerchen machten. Deshalb schäme ich mich nicht dafür, mein Bett als einen wesentlichen Bestandteil meines Büros zu zählen.
Als selbständiger Designer kann ich mir diese Freiheiten – diese Freuden – nehmen, von dort aus und so zu arbeiten, wo und wie ich möchte. Anstatt ein Designer in einem Büro zu sein, bin ich ein Designer in der Welt. Während ich die Möglichkeit eines Lebens ohne Büro habe, sieht die Realität für Angestellte in grossen, teamgeprägten Unternehmen anders aus. Seit es uns die Arbeitstechnologie ermöglicht hat, praktisch überall zu arbeiten, haben sich die Menschen daran gewöhnt – und schätzen die Vorteile dieser Flexibilität. Unternehmen, die ihren Angestellten grösstmögliche Freiheit und Produktionskapazität bieten wollen, werden sich in der Nähe einer grossen Auswahl an öffentlichen Orten niederlassen oder diese in ihre eigenen Büros und ihren Campus integrieren. Meiner Meinung nach ist das der richtige Weg.
Als selbständiger Designer kann ich mir diese Freiheiten – diese Freuden – nehmen, von dort aus und so zu arbeiten, wo und wie ich möchte. Anstatt ein Designer in einem Büro zu sein, bin ich ein Designer in der Welt. Während ich die Möglichkeit eines Lebens ohne Büro habe, sieht die Realität für Angestellte in grossen, teamgeprägten Unternehmen anders aus. Seit es uns die Arbeitstechnologie ermöglicht hat, praktisch überall zu arbeiten, haben sich die Menschen daran gewöhnt – und schätzen die Vorteile dieser Flexibilität. Unternehmen, die ihren Angestellten grösstmögliche Freiheit und Produktionskapazität bieten wollen, werden sich in der Nähe einer grossen Auswahl an öffentlichen Orten niederlassen oder diese in ihre eigenen Büros und ihren Campus integrieren. Meiner Meinung nach ist das der richtige Weg.
Jonathan Olivares verantwortete gemeinsam mit der Architektin Pernilla Ohrstedt das Konzept und die Realisierung des Vitra Workspace in Weil am Rhein.
Veröffentlichungsdatum: 1. 8.2019, erstmals veröffentlicht in «Where To Work Better», zur Orgatec 2018
Autor: Jonathan Olivares
Bilder: Architectural Association Archive, Harvard Library, Caitlin Cunningham Photography, President and Fellows of Harvard College, Robey Hotel Chicago, Jonathan Olivares