Organic Chair

Wenn ein Stuhl nach 64 Jahren zum ersten Mal in Produktion geht

Die Bedeutung des Organic Chair für die Designepoche des Amerikanischen Mid-Century Modern wird heute meist unterschätzt. Er stellt den Anfang einer Idee dar, die einige Jahre später mit Erfolg in anderen Möbeln ihren Niederschlag fand. Und rund um seine Entstehung ereigneten sich Begegnungen, die den Lauf der Designgeschichte prägten.

Im Jahr 1940 schrieb das Museum of Modern Art (MoMA) in New York den Wettbewerb «Industrial Design Competition for the 21 American Republics», heute auch bekannt als «Organic Design in Home Furnishings», aus, in welchem es die Teilnehmer aufforderte, Möbel, Leuchten und Textilien einzureichen. Zweck des Wettbewerbs war es, gute Designer zu entdecken und sie in die Aufgabe zu involvieren, bessere Umgebungen für das moderne Leben zu erschaffen. Den Gewinnern winkte nicht nur die Integration ihrer Arbeiten in die nachfolgende Ausstellung «Organic Design in Home Furnishings» von 1941, für die sich Kurator Eliot Noyes Objekte mit einer «harmonischen Organisation der Einzelteile zu einem Ganzen, bezogen auf Struktur, Material und Zweck» wünschte. Vielmehr sollten für die Sieger-Entwürfe auch Hersteller gesucht werden und ab dem Tag der Ausstellungseröffnung die fertigen Produkte von Händlern vertrieben werden.

Die beiden Freunde Charles Eames und Eero Saarinen waren damals Anfang 30. Sie lehrten Design an der renommierten Cranbrook Academy of Art in Michigan, deren Direktor Saarinens Vater, der Architekt Eliel Saarinen war, und entschlossen sich, zusammen am Wettbewerb des MoMA mit insgesamt acht Entwürfen – sechs davon Stühle – in den beiden Kategorien «A – Seating for a Living Room» und «B – Other Furniture for a Living Room» teilzunehmen. Zu jener Zeit hatten Stühle normalerweise eine Sitzfläche und eine Rückenlehne, die je nach Modell gepolstert waren oder nicht. Die Idee, die Eames und Saarinen damals umtrieb, war eine einteilige, dreidimensional und körpergerecht verformte Sitzschale aus Sperrholz – nur gab es damals keine Technologie, mit der eine solche sich maschinell hätte herstellen lassen. Also fertigten die zwei jungen Designer ihre Stuhl-Prototypen von Hand. Und bei den Vorbereitungen zur Wettbewerbs-Einreichung half den beiden eine gewisse Ray Kaiser, die bei Hans Hofmann in New York Malerei studiert hatte – Charles traf hier also zum ersten Mal seine spätere Ehefrau.
© MoMA
Eames und Saarinen haben mit ihren sich ergänzenden Beiträgen in beiden Kategorien den ersten Preis gewonnen. Bei der Suche nach einem Hersteller für die Stühle stellte sich jedoch bald heraus, dass aufgrund der fehlenden technologischen Grundlagen für die dreidimensionale Verformung von Sperrholz keine Serienproduktion möglich sein würde. Das Hauptinteresse von Charles und Ray Eames, die zwischenzeitlich geheiratet hatten und nach L.A. gezogen waren, verlagerte sich in den folgenden Jahren auf die Erarbeitung ebendieser Technik, während Eero Saarinen sich vermehrt der Architektur zuwandte und an der Weiterentwicklung der Sperrholzmöbel nicht mehr beteiligt war.
«Ich glaube, dass das, was wir für die Organic Furniture Competiton des Museum of Modern Art im Jahr 1940 getan haben, wirklich die Begründung eines Konzepts war. An der Wirtschaftlichkeit der Lösung waren wir nicht besonders interessiert, obwohl wir das zu jener Zeit dachten.»
Charles Eames
© Eames Office, LLC
© MoMA
Die heute als Organic Chairs bekannten und damals nur in einer Kleinserie manuell produzierten Stuhlentwürfe gerieten in der Öffentlichkeit allmählich in Vergessenheit. Designhistorisch betrachtet sind sie einerseits Ausgangspunkt und Grundstein für einige legendäre Stühle mit körpergerecht geformter Schale wie den Plastic Chair und den Wire Chair von Charles und Ray Eames oder den Tulip Chair von Eero Saarinen. Anderer­seits waren sie Auslöser für das hartnäckige Interesse der Eames an der dreidimensionalen Sperrholzholzverformung: In Kalifornien angekommen, bauten Charles und Ray in ihrem Apartment die legendäre «Kazam!-Maschine», für die sie sogar ein Kabel zu einem nahegelegenen Strommast legten, weil das Stromnetz des Hauses regelmässig überlastet war. Dank ihres während der Kriegsjahre erworbenen Wissens über das Material und die Herausforderungen der Massenproduktion gelang es ihnen, 1945 mit den Stühlen der Plywood Group erstmals dreidimensional verformtes Sperrholz in ein Serienprodukt zu übersetzen.
© Eames Office, LLC
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Nur wenige der für die Ausstellung der Siegerentwürfe im MoMA von 1941 gefertigten Stühle existieren noch, und einer davon ist Teil der Sammlung des Vitra Design Museum. Nach der Jahrtausendwende setzte man sich dort aus verschiedenen Gründen eingehend mit der Geschichte dieses Exemplars auseinander und erkannte dabei seine Bedeutung für die Design­geschichte. Weil der Stuhl ausserdem höchst komfortabel ist, begann man bei Vitra zusammen mit den Familien Eames und Saarinen darüber nachzudenken, ihn nach über 60 Jahren zur Serienreife zu entwickeln. So kam er 2004 zum ersten Mal auf den Markt und sein Name «Organic Chair» referenziert auf die Ausstellung «Organic Design in Home Furnishings».

Investition in Innovation

Es ist Teil des Selbstverständnisses von Vitra, in Innovation zu investieren. Durch die Kombination des technischen Know-hows des Unternehmens mit der Kreativität bedeutender Designer werden gestalterische Grenzen ausgelotet und erweitert. Gleichzeitig aktualisiert Vitra mit den Designern bzw. ihren Nachkommen laufend die Designklassiker gemäss Original-Dokumenten aus den Archiven –damit sie die Bedürfnisse heutiger Nutzer erfüllen.

Vitra produziert den Organic Chair in drei der sechs Stuhlvarianten, die im MoMA-Wettbewerb als Prototypen gestanden hatten: als Lesesessel mit mittelhoher (Organic Chair) oder hoher Rückenlehne (Organic Highback) sowie als Esszimmer- und Meetingstuhl (Organic Conference).
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Dieses Produkt wurde gestaltet von

Charles Eames & Eero Saarinen

Eero Saarinen entwickelte zusammen mit Charles Eames die ersten Entwürfe für Möbel aus verformtem Schichtholz. 1940 nahmen die beiden mit dem Organic Chair am Wettbewerb "Organic Design in Home Furnishings" des Museum of Modern Art in New York teil.

 

Das Original kommt von Vitra

Gönnen Sie sich ein Original. Denn: Ein Original behält seinen Wert. Ein Imitat ist und bleibt eine billige Kopie, eine gestohlene Idee. Den Unterschied machen dabei Dinge, die man auf den ersten Blick vielleicht gar nicht sieht – aber spürt. Ein Original wird Sie lange begleiten. Wohl überleben sogar. Die nächste Generation wird also auch Freude an Ihrer Entscheidung haben.
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